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Von Welternährung und Tomaten

Serie “Ernährung ist politisch”

Heute geht es wieder weiter mit unserer Serie. Vorige Woche hat uns Dr. Hudson schon darauf aufmerksam gemacht, dass die Transparenz im globalen Handel und darum bei unserem Essen nicht so leicht gegeben ist. Heute schauen wir uns das anhand am Beispiel der Tomaten an.

Unsere neue Serie im Blog @kräuterkraft

 

Frau Prof. Franger, wer stellt Welternährung her und was haben die davon?

Je nach Aktualität und Quelle etwas schwankend, kann gesagt werden, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft aktuell die zentrale Grundlage der Welternährung darstellt. Etwa 60 % der weltweit konsumierten Nahrungsmittel werden von kleinbäuerlichen Produzent*innen aus Ländern des Globalen Südens produziert. Bauern und Bäuerinnen produzieren die Nahrungsmittel für etwa 70 % der Weltbevölkerung.

Auf der anderen Seite ist besonders auffallend, dass drei von vier Hungernden als Kleinbäuer*innen, Viehzüchtende oder Arbeiter*innen auf dem Land leben, die Mehrheit davon sind Frauen.

Foto: D MZ auf Pixabay

 

Sie haben in der Ausstellung “Ausgekocht” sehr deutlich an den Tomaten erklärt, was heutzutage passiert. Können Sie es hier bitte nochmals deutlich machen?

Ja gerne, denn hier kommen die “ausgekochten” Strategien der Nahrungsmittelindustrien besonders krass zur Geltung.

Die Geschichte der Tomaten, die wir in der Ausstellung erzählen, ist die der italienischen, von der EU subventionierten Tomaten, die die Tomatenproduktion und einzige Konservenfabrik in Ghana zerstört haben.

Quelle: Pixabay

 

Die Kleinbauern und Arbeiter*innen, die ihr Auskommen verloren haben – kommen nun über das Mittelmeer nach Italien – sicher kreuzten sie nicht wenige der Tomatendampfer … und arbeiten nun unter Bedingungen, die eigentlich nur als Sklaverei bezeichnet werden können, für den immer noch günstigeren Exportpreis der Tomaten, deren Anbau natürlich auch weiterhin von der EU subventioniert werden.

 

Der Kabarettist Pelzig bringt das drastisch auf den Punkt:

 

Nicht nur in Ghana werden gerne Tomaten gegessen, sondern Tomaten sind weltweit das beliebteste Gemüse und Europa ist Tomatenexportweltmeister mit einem Absatz von 3,9 Milliarden US-Dollar oder fast 47% der weltweiten Tomatenmenge. In der EU wurde in Saison 2016/2017 18 Millionen Tonnen Tomaten produziert.  

Dass Europa zu Dumpingpreisen exportieren kann, liegt laut australischen Untersuchungsberichten an der Ausbeutung von Migranten und Flüchtlingen – den neuen Sklaven Europas – und an EU-Subventionen.

2016 kam es zwischen Australien und der EU zu einem sogenannten Tomatenkrieg. Brüssel wurde wütend, als die australische Regierung Antidumping-Steuern auf zwei Marken importierter italienischer Tomaten verhängte, die den Markt zu überschwemmen drohten und die Inlandspreise drückten.

Ausschnitt aus der Ausstellung Ausgekocht. Foto: Gaby Franger

Australien bezieht etwa 80 Prozent seiner Tomatenkonserven aus Italien. In den Supermärkten bezahlen die Verbraucher 80 Cent pro Dose, verglichen mit bis zu 1,80 Dollar für lokal angebaute Sorten. Die Kosten in Australien sind wegen der Dürre und der Notwendigkeit der Bewässerung sowie der nicht wettbewerbsfähigen Arbeitskosten höher.

Bereits 2012 untersuchte die Australische Anti-Dumping-Kommission die italienischen Importe von Tomatenkonserven nach Australien und fand dabei heraus, dass mehr als 90 Unternehmen aus Italien ihre Produkte unter ihrem Wert verkaufen.

Foto: Gaby Franger

 

Die EU ist der weltweit größte Tomatenproduzent, aber auch ihr größter Importeur. Europäer bekommen Tomaten aus China und dank Ausbeutung und durch Subventionen zerstören italienische Tomaten den australischen Markt.

Während  also die italienische Tomaten im australischen Markt mit Dumpingpreisen den Markt zerstören, stecken in den Büchsen in Europa immer häufiger Tomaten, die aus China kommen. Denn der am schnellsten wachsende Tomatenexporteur seit 2012 ist China.

 

Über 100 000 Tonnen Tomatenmark kommen aus China – auch nach Italien! Die Tendenz ist steigend, und das ist für Konsument*innen kaum zu erkennen, wie eine Untersuchung in Italien gezeigt hat.

 

Das sind jetzt nur kleine Ausschnitte aus dem Tomatenhandel – der Beispiele gäbe es noch unendlich viele. Sie zeigen schon mal ganz drastisch unternehmerische „Lösungsansätze für die Welternährung“.

 

Gaby Franger, Foto: Privatbesitz Franger

 

Prof. Dr. Gaby Franger ist Sozialwissenschaftlerin, betreibt Forschungen zu Menschenrechten und Sozialer Arbeit und Frauengeschichte. Sie ist Vorstand des Vereins: Frauen in der Einen Welt. Zentrum für interkulturelle Frauenalltagsforschung und internationalen Austausch; Kuratorin im Museum Frauenkultur Regional und International  in Fürth, Bayern, u.a. der Ausstellung “Ausgekocht”, zu der auch eine Publikation im Jahr 2017 im Verlag “Frauen in der Einen Welt” erschienen ist. (www.frauenindereinenwelt.de)

 

ausgekocht? cosa bolle in pentola?

 

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